Morgens, halb zehn in Deutschland. Das Kind ist im Kindergarten. Der ganze Vormittag gehört mir (und dem Haushalt. Und dem Kochen. Und der Erledigung von nervigem Papierkram.) Ich will gerade mental die cleverste Strategie ausarbeiten, um die Aufgaben in sinnvoller Reihenfolge anzugehen, und das meiste aus diesem Vormittag herauszuholen. Ich gehe zum Fenster, der Blick nach draußen entspannt Augen und Kopf. Während ich in Gedanken die Einkaufsliste durchgehe, trifft mich fast der Schlag: Ich kann ‚draußen‘ gar nicht sehen! Nur verschwommen, durch die Schlieren hindurch, die augenscheinlich zigtausende kleiner Kinderhände auf dem Glas hinterlassen haben.
Zu meiner gedanklichen To-Do-Liste addiert sich ein weiterer Punkt: Fenster putzen. Ich stöhne innerlich auf. Dann sehe ich mir die Fingerspuren genauer an. Wie kann ein einziges Kind so viele Spuren hinterlassen? Oder, anders gefragt: Wie lange sind die Fenster eigentlich nicht mehr geputzt worden?
Wie kann ein einziges Kind so viele Spuren hinterlassen?
Ich überlege genauer: Als es letzte Woche ein Gewitter gab, stand ich mit dem Kind auf dem Arm am Fenster. Minutenlang. Gemeinsam haben wir uns angesehen, wie die dicken Tropfen auf die Straße klatschen. Wie der Wind die Bäume zerzaust. Und haben dem entfernten Donnergrollen gelauscht. Es war faszinierend. Auch als Oma und Opa zu Besuch waren, haben wir ihnen zum Abschied am Fenster gewunken. Und dann die Baumschneidearbeiten in der Straße vor dem Haus: Den ganzen Tag hätte das Kind vom Fenster aus zuschauen können, wie die Landschaftsgärtner mit der Hebebühne hochfahren, die vertrockneten und angeknacksten Äste suchen, abscheiden und runterwerfen – und das Highlight: Wenn die geschnittenen Äste schließlich gehäckselt werden. Es war schön, zu sehen, wieviel Spaß so etwas Kindern bereiten kann.
Ich freue mich schon darauf, wieder etwas Spannendes mit dem Kind zu entdecken. Am Fenster oder sonstwo. Die Fingerabdrücke lasse ich noch am Fenster – vielleicht wecken sie morgen nochmal schöne Erinnerungen.
